Dyskalkulie/Rechenschwäche

Ähnlich wie bei der Lese-Rechtschreib-Schwäche gibt es Schulkinder, denen – bei sonst gutem Leistungsvermögen – das Rechnen sehr schwer fällt. Diese isolierte Lernstörung (Teilleistungsstörung) nennt man auch Dyskalkulie oder Rechenstörung.

Was ist eine Dyskalkulie?

Bereits im Kleinkindalter entwickelt sich ein erstes Wissen  über die Bedeutung von Zahlen und Mengen. Es  beginnt sich schon ab einem Alter von einem Jahr zu entwickeln zum gleichen Zeitpunkt, wenn Kinder anfangen zu sprechen. Kinder lernen zwischen „einem“ und „Vielem“ zu unterscheiden, danach folgt die Zuordnung eines Zahlwortes zu einem zählbaren Gegenstand bis dann in der Grundschule die Kenntnisse durch die Grundrechenarten erweitert  werden. Dabei baut jeder  Lernschritt auf den vorangegangenen auf.

Den durch Dyskalkulie betroffenen Kindern fehlt eine Zahlen – und Mengen-Vorstellung. Sie verstehen Zahlen als reine Symbole, nicht als Mengenangaben. So können sich betroffene Kinder zu einer geschriebenen Zahl „8“ keine Menge vorstellen oder sie verstehen die „8“ nur als Zahl, bis zu der man zählen kann, nicht jedoch als zerlegbare Anzahl.
Sie haben oft auch einen schlechten räumlichen Orientierungs-Sinn und brauchen z.B. beim Überschreiten des Zehners, wenn die Finger nicht mehr ausreichen, konkrete Anschauungs-Hilfen, wie den „Zahlenstrahl“ oder aufgereihte Perlenketten.

Woher kommt Dyskalkulie?

Eine Dyskalkulie tritt bei 5-7% Prozent der Weltbevölkerung auf. Wissenschaftler fangen gerade erst an, die Dyskalkulie zu verstehen. Rechnen ist ein komplexer Vorgang, bei dem mehrere Hirnregionen zusammenarbeiten: Einer Zahl muss eine Menge zugeordnet werden, bei vielen Aufgaben müssen Zwischenschritte im Kurzzeitgedächtnis gespeichert werden. Sind die neuronalen Verknüpfungen zwischen den beteiligten Hirnregionen zu wenig ausgeprägt, gibt es Probleme. Manchmal nur in Teilbereichen, manchmal geht fast gar nichts. Man geht heute davon  aus, dass es eine erbliche Veranlagung für Dyskalkulie gibt. Kommen ungünstige Umweltfaktoren hinzu, etwa schlechter Mathematikunterricht, entfaltet sich die Lernstörung. Sie hängt also nicht mit Faulheit, einer generellen Lernschwäche oder schlechtem Lernen zusammen, wie Kritiker oder auch Eltern nichtbetroffener Kinder schon mal äußern.

Mit mangelnder Intelligenz hat Dyskalkulie nichts zu tun

Trotzdem ist das Thema ein großes Problem für die Betroffenen. „Wer nicht rechnen kann, ist dumm“, so lautet das Vorurteil. Für die Betroffenen ist das ein Stigma. Durch die ungläubigen Blicke der Mitschüler, wenn die Betroffenen eine einfache Aufgabe nicht lösen können, durch das Kichern, wenn sie Fantasiezahlen nennen, und durch die ständigen Ermahnungen von Lehrern und Eltern, sich mehr anzustrengen. Das hinterlässt Spuren in der Psyche. „Viele trauen sich selbst nichts mehr zu“.

Dyskalkulie in der Schule – oft kein Nachteilsausgleich

Kinder mit der Diagnose Legasthenie erhalten einen sogenannten Nachteilsausgleich in der Schule, so wird die Rechtschreibung oftmals nicht benotet. Auf derartige Erleichterungen haben Kinder mit Dyskalkulie bisher kein Recht. In einigen Bundesländern gibt es immerhin Verordnungen oder Erlässe dazu, allerdings müssen die Schulen zustimmen, ob und wie den Kindern geholfen wird.
In der Lehrerausbildung, aber auch in der Schulpolitik, findet die Rechenschwäche bisher kaum Beachtung.  Dabei lässt sich eine  schon am Ende der ersten Klasse stellen. Das ist auch ratsam, denn je früher ein Kind speziell gefördert wird, desto weniger Schulstoff muss es nachholen.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnosestellung einer Dyskalkulie erfolgt über einen in der neuropsychologischen Testung erfahrenen Arzt, Psychologen oder Pädagogen. Zunächst wird die Grundintelligenz des Kindes bestimmt, unabhängig von seinen Rechenfertigkeiten, dann wird isoliert seine Rechenfertigkeit mit speziellen Testuntersuchungen in Relation zu seiner Grundintelligenz gesetzt. Ist das Kind also mindestens durchschnittlich begabt und liegt seine Rechenfertigkeit unterhalb eines bestimmten Bereiches (Prozentrang <15) erheblich im unterdurchschnittlichen Bereich, ist die Diagnose Dyskalkulie zu stellen.

Dyskalkulie in Griff bekommen

Die Behandlung von Dyskalkulie wird in der Regel von dafür ausgebildeten „Lerntherapeuten“ bzw. Personen mit „lerntherapeutische Ausbildung“ übernommen. Eine reine Mathematik-Nachhilfe ist unzureichend, genau wie das Schreiben ständiger Diktate auch keine Legasthenie verbessert sondern spezielle Kenntnisse in der Behandlung zur Anwendung kommen.

Wer zahlt die Therapie?

Lerntherapien bei Dyskalkulie müssen Eltern meist selbst zahlen, von den Krankenkassen gibt es keine Unterstützung. Nur wenn das Kind aufgrund der Störung bereits psychisch auffällig ist, kann eine Finanzierung durch das Jugendamt mithilfe des §35a des SGB VIII beantragt werden.

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